Zahlreiche Studien belegen eindeutig den Zusammenhang zwischen Führungskompetenz und persönlicher Reife. Führungskompetenz ist das maßgebliche Kriterium bei der Erzeugung von Urteilskraft und Sicherstellung von Entscheidungsqualität.
Die persönliche Reife beeinflusst zentrale Fähigkeiten, wie:
– Erfassen und Steuern von Komplexität
– Gemeinschaftliches Entscheiden und Handeln
– Umgang mit schwierigen Führungsproblemen
– Unternehmenstransformation
– Feedback und Selbstkritikfähigkeit
– Intuition
Nach dem Ich-Entwicklungsmodell von Jane Loevinger durchläuft der Mensch in seiner „Transformation“ mehrere Stadien persönlicher Reife. Sie klassifiziert diese Stadien von E2 bis E11. Diese Stadien bestimmen das ICH- und Wirklichkeitsverständnis. Im Nachfolgenden möchte ich auf wichtige Aspekte der Führungskompetenz im Kontext persönlicher Reife eingehen.
„Reifere Führungskräften“ entsprechen mehr den Kompetenzanforderungen beim Erfassen von oder dem Umgang mit Komplexität. Sie suchen mehr nach Lösungen zweiter Ordnung (Was sind die übergeordneten Zusammenhänge?) statt sich im Troubleshooting zu verausgaben. Sie beziehen andere Personen mehr in ihre Entscheidungen ein, versuchen die Meinungen anderer mehr zu erkunden und integrieren diese Erkenntnisse in ihr Handeln. Der Zusammenhang zwischen Ich-Entwicklung und gemeinschaftlichem Handeln ist signifikant.
Beim Umgang mit schwierigen Führungsproblemen sehen „niedrigere ICH-Entwicklungsstufen“ die Entscheidungszuständigkeit „oben“, Selbstkritik findet wenig statt und sie sehen sich häufig in Konflikten zwischen Ansprüchen des Unternehmens und ihrer MitarbeiterInnen. Zielkonflikte beklagen sie ohne eigene Lösungen zu entwickeln.
Personen mit zunehmender Ich-Entwicklung sind zunehmend in der Lage Abstand zu den ihnen präsentierten Problemen zu gewinnen und diese in einem Gesamtzusammenhang zu behandeln, Ansprüche verschiedener Gruppen und ihrer eigenen Ansprüche klarer in Einklang zu bringen und insgesamt schwierige Situationen oder umfassende Veränderungen in komplexen Systemen effektiver zu bewältigen. Es besteht mehr Toleranz gegenüber Ambiguität, Führungswidersprüchen (z.B. Vertrauen und Kontrolle) und Paradoxien.
Führungskräfte im Top-Management sind häufig mit strategischen Herausforderungen unter „Datenknappheit“ befasst. Auf die Frage „Warum glauben Sie, dass Sie eine bessere Führungskraft sind, als andere?“ antworten Top-Manager: Weil ich eine bessere Intuition habe. Intuition meint „wissen ohne zu wissen warum“, also ein gutes Gespür haben. Dazu muss der eigene Geist innerlich ruhig sein und ein hohes Maß an Selbstbeherrschung und Wahrnehmungsfähigkeit bestehen – was bei höheren Stufen der Ich-Entwicklung der Fall ist. Wahrheit kommt von (Selbst- und Umfeld-) Wahrnehmungsfähigkeit.
Aus diesen genannten Gründen ist es von maßgeblicher Bedeutung, wie Führungskräfte ausgewählt und in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden. So bieten Krisen, Veränderungen und Konflikte gute Chancen für eine weiter fortschreitende ICH-Entwicklung.
Auf die Frage „Wer ist der beste Chef/die beste Chefin die Sie jemals hatten und warum fällt Ihnen gerade diese Person ein?“ antworten Führungskräfte häufig folgender Maßen: „War ein guter Zuhörer, strahlte Ruhe, Wertschätzung und Offenheit aus. Hat mich ermutigt und mir Verantwortung übertragen. War fachlich hoch kompetent und zugleich auch menschlich. Hat in mir Dinge und Talente erkannt, die mir selbst nicht bewusst waren, etc.“
Um diese Qualitäten bei der Führungsarbeit für die MitarbeiterInnen erfahrbar zu machen braucht es ein beachtliches Maß an persönlicher Reife. Reife Menschen erkennen mehr, verfügen über ein umfangreicheres Verständnis gegenüber menschlichen Verhaltensweisen/Situationen und sie führen bessere Entscheidungen herbei.